Zahlen_Daten_Fakten - 29. November 2023

Demokratie in Zeiten der Krisen – Wie steht es um die gute „alte Dame“?

Laut dem Demokratieindex, der jährlich von der britischen Zeitschrift „The Economist“ berechnet wird, galten in 2022 weltweit 24 Länder als vollwertige und 48 als defizitäre Demokratien, 36 als hybride Regime, die also weder rein autoritär noch demokratisch sind, und 59 als autoritäre Regime. Demnach lebten in 2022 45 % der Weltbevölkerung in Demokratien.

Im 100-Jahre-Rückblick ist das ein Erfolg. Denn noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren Autokratien die weltweite Norm. Demokratische Prinzipien waren in großen Teilen der Welt nicht etabliert oder wurden aktiv unterdrückt: So z. B. im Deutschen Reich unter der Herrschaft von Adolf Hitler, im kommunistischen Russland unter Josef Stalin, im faschistischen Italien unter Benito Mussolini oder auch im militärischen Japan unter Hirohito. Doch insbesondere der Zweite Weltkrieg führte zu einem Wandel in der internationalen Politik und zu einer erhöhten Bereitschaft demokratische Reformen anzunehmen, um Stabilität und wirtschaftlichen Wiederaufbau zu fördern. Und so ist die Zahl der Demokratien nach 1945 und auch während der Zeit des Kalten Krieges deutlich gewachsen. Dabei gingen die Verbreitung von Demokratie und steigender Wohlstand – vor allem in den westlichen Industrieländern –  über Jahrzehnte Hand in Hand.

Wenngleich die demokratischen Verhältnisse heute deutlich besser erscheinen als vor 100 Jahren, gilt die liberale Demokratie als gefährdet. Denn bereits seit Beginn des 21. Jahrhunderts nahm die Ausbreitung der Demokratie zunehmend ab und ging ab ca. 2010 in die Regression. Das heißt, die Zahl der Demokratien sinkt bei gleichzeitiger Verschlechterung der Demokratiequalität in den konsolidierten demokratischen Verfassungsstaaten. Besonders der mit den „Polykrisen“ der letzten Jahren einhergehende Wohlstandsverlust und die Konflikte um die Lastenverteilung setzen die Legitimation der westlichen Demokratien unter enormen Druck.

So auch in der Bundesrepublik. Die 2023 veröffentlichte Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zum „Demokratievertrauen in Zeiten der Krisen“ ergab, dass eine Mehrheit der Deutschen mit dem Funktionieren der Demokratie unzufrieden ist. Dabei zeigten sich große Unterschiede in der Demokratiezufriedenheit je nach sozialer Lage und Bildungsstatus: „Menschen, denen es ökonomisch schlechter geht, die niedrigere Bildungsabschlüsse haben oder sich der Unter- oder Arbeiter_ innenschicht zurechnen, sind deutlich unzufriedener.“. Dabei zeigt die Studie der FES jedoch auch, dass sich die Unzufriedenheit weniger auf die Demokratie selbst, als vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung dieser in Deutschland bezieht. Das heißt, dass der gegenwärtige Vertrauenslust in die Demokratie nicht direkt einhergeht mit der Präferenz einer autokratischen Alternative. Doch wo es an Alternative fehlt, findet antiliberaler oder antipluralistischer Populismus einen guten Nährboden.

Vor diesem Hintergrund sollte der Blick auf die Folgen der gegenwärtigen Krisen und auf die nötigen Maßnahmen der Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft alarmieren. Denn Krisen und Transformationsprozesse sind oft mit Wohlstandsverlusten verbunden, die Verteilungskonflikte und Unzufriedenheiten provozieren und dem Rechtspopulismus vermehrt zugutekommen könnten.

Daher ist es dringend notwendig die Transparenz im politischen Diskurs zu steigern und Bürger*innen zu beteiligen, um die Akzeptanz der Politik und ihrer Entscheidungen – vor allem in Krisenzeiten – gesellschaftlich zu stärken. In Zeiten, in denen die zunehmende Komplexität Transparenz über politische Entscheidungsprozesse erschwert, können Instrumente wie beispielsweise Bürger*innenräte, welche die direkte Mitsprache von Bürger*innen mit sachlich informierter Entscheidungsfindung verbinden, ein gutes Angebot sein. Gleichzeitig bedarf es an einem deutlichen Mehr an guter Bildungs- und Aufklärungsarbeit,  um die vielschichtiger gewordenen politischen Probleme und Gesamtzusammenhänge zu verstehen und um so politische Teilhabe zu ermöglichen.